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Stellungnahme zur Forderung nach einer Nutzung von Grünflächen zu Wohnbauzwecken

Im Rahmen des Bürgerforums „Wo wollen wir wohnen?“ wurden zahlreiche Essener Flächen im Hinblick auf deren Nutzung als Wohnbaufläche kategorisiert. Unter anderem wurde den Flächen 706 (Isinger Feld / Wattenscheider Straße) und 710 (Wattenscheider Straße 39) die Priorität 3 – „Unschlüssigkeit über die Eignung“ – zugeordnet. In Vorlage 1731/2019/6B fordert der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung (ASP), diese Flächen einem weiteren Prüfungsprozedere zu unterziehen.

Die Bürgerinitiative „Pro Landschaftsschutz Leithe“ hält das Vorgehen für ungeeignet und das Ergebnis für nicht nachvollziehbar.

A) Vorgehen

Im Rahmen des Bürgerforums wurde zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern innerhalb von zwei Stunden die Einschätzung von Flächen abverlangt, die sie dort zum ersten Mal kennen gelernt haben dürften. In kürzester Zeit sollten immerhin 93 Flächen beurteilt werden, was einer sachgerechten Einschätzung deutlich widerspricht.

Bürgerbeteiligung, insbesondere bei einem so wichtigen Thema, ist notwendig und sinnvoll. Die beteiligten Bürgerinnen und Bürger müssen aber auch in die Lage versetzt werden, ein angemessenes Urteil fällen zu können. Das ist bei dem hier gewählten Vorgehen nicht der Fall.

Selbst wenn man der Methodik folgen möchte, bleibt völlig unklar, weshalb zahlreiche hoch priorisierte Flächen herausgestrichen wurden und die als Priorität 3 eingestuften Flächen erneut geprüft werden sollen. Hier entsteht der Eindruck, dass aus dem Resultat nur passende Details herausgepickt werden, das Bürgervotum in Gänze aber nicht berücksichtigt werden soll.

B) Beurteilung der Flächen

Wer eine Nutzung der beiden Flächen zu Wohnbauzwecken erwägt, übersieht deren besonderen Wert für Natur und Klima. Für Fläche 706 wurden sehr hohe Bodenwertzahlen (allerbeste Böden) festgestellt. Bei Fläche 710 handelt es sich um eine Biotopverbundfläche und Biotopkatasterfläche. Eine Bebauung stünde im Widerspruch zu Landschafts- und Naturschutz. Vor allem im städtischen Raum muss dem Erhalt von wertvollen Acker- und Waldflächen eine hohe Bedeutung beigemessen werden, da sie eine wichtige Rolle für Mensch und Klima übernehmen.

Im gemeinsamen Antrag vom 25.11.2019 lehnen es SPD, CDU, Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke in der Bezirksvertretung VII für beide Flächen ab, die Nachfrage nach Wohnraum im Stadtbezirk VII durch die Bebauung von Landschaftsschutzgebieten oder sensiblen Grünflächen im Außenbereich zu befriedigen.

Für die genannten Flächen liegen bereits unzählige qualifizierte Prüfungen auf Nutzung als Wohnbaufläche vor, deren Ergebnis stets in einer Ablehnung mündete. Sei es im Jahr 1992 bei Festlegung einer Fläche als Grünanlage, in den Jahren 2004 und 2008 bei Aufstellung des Regionalen Flächennutzungsplans (RFNP) oder zuletzt im Jahr 2016, als die Verwaltung unter dem Deckmantel der Flüchtlingskrise eine Umnutzung erreichen wollte. Eine erneute Prüfung der Flächen halten wir deshalb für überflüssig, nicht zielführend und lehnen diese in aller Entschiedenheit ab.


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Einwände gegen die Waldrodung

Gemäß öffentlicher Bekanntmachung des Regionalforstamtes Ruhrgebiet vom 28.01.2016 liegt ein Antrag auf Rodung von Wald zum Zwecke der Umwandlung in eine andere Nutzungsart vor. Betroffen sind u. a. die Grundstücke an der Lahnbeckestraße in Essen-Leithe (Flur 11, Flurstücke 74, 409, 416, 77, 98 und 417).

Gegen die Waldumwandlung erheben wir folgende Einwände:

  1. Die Bezirksvertretung für den Stadtbezirk VII hat sich am 09.02.2016 einstimmig dafür ausgesprochen, bei der von der Verwaltung vorgeschlagenen Fläche an der Lahnbeckestraße in Leithe den Wald als Baumersatzfläche zu erhalten.
  2. In einer Sondersitzung am 01.02.2016 hat der Beirat der Unteren Landschaftsbehörde der beabsichtigten Landschaftsrechtlichen Befreiung von den Verboten des Landschafts­plans Essen gemäß § 67 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG widersprochen.
  3. Gemäß Begründung zum Bebauungsplan Nr. 38/72 („Lahnbeckestraße/Rodenseel­straße“) ist „nördlich der Straße »Im Helf« eine 50 m breite Grünfläche als Schutzfläche gemäß § 9 (1) Ziffer 14 BBauG mit einer Bindung zur Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern als flächendeckende Schutzpflanzung […] festgesetzt“. Diese Grünfläche liegt innerhalb des von der beantragten Rodung betroffenen Gebietes.
  4. Die für die Umsetzung des Antrags notwendigen Erleichterungen im Bauplanungsrecht zur Unterbringung von Flüchtlingen sind nur anwendbar, wenn keine alternativen Unterkunftsmöglichkeiten bereit gestellt werden können (§ 246 BauGB). Wie allein schon die über dreihundert Vorschläge in der Ratsvorlage 0002/2016/6B belegen, gibt es aber zahlreiche Möglichkeiten zur Unterbringung. Jüngstes Beispiel für vorhandene Alternativflächen ist der von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Standort „Verkehrsübungsplatz“ in Frillendorf. Die Rodung von Waldflächen ist daher nicht notwendig und stellt keine der Sachlage angemessene Maßnahme dar.
  5. Gemäß § 39 Landesforstgesetz NRW ist die Genehmigung zur Waldumwandlung zu versagen, wenn die Erhaltung des Waldes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Wald in der Gemeinde einen geringen Flächenanteil hat oder für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, den Schutz natürlicher Bodenfunktionen im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes, die forstwirtschaftliche Erzeugung, das Landschaftsbild oder die Erholung der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung ist oder dem Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissions­schutzgesetzes dient und die nachteiligen Wirkungen der Umwandlungen nicht durch Nebenbestimmungen abgewendet werden können. Laut Landschaftsplan Essen ist die Fläche als Teilgebiet der Ackerterrassen entlang der Stadtgrenze zu Bochum und Gelsenkirchen schützenswert „insbesondere wegen der Bedeutung des Gebietes für
    1. die Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit,
    2. die landschaftsorientierte Erholung,
    3. das Klima, sowie der Bedeutung
    4. als Freiraum innerhalb eines regionalen Grünzuges.“

     

    Die Voraussetzungen für eine Genehmigung liegen somit nicht vor.

  6. Sowohl der Wald als auch der angeschlossene Ackersaum mit dichten Hecken und Gebüsch stellen wertvollen Lebensraum für Brutvögel dar. Eine Bebauung würde den Verlust wertvollen Lebensraums für viele Arten bedeuten, darunter der Buntspecht, die seltene Klappergrasmücke (gefährdeter Brutvogel, Rote Liste NRW) und die Feldlerche (starker Bestandsrückgang, Rote Liste NRW).
  7. Aufgrund zahlreicher Hinweise auf planungsrelevante Arten ist eine Artenschutzprüfung durchzuführen. Die Ergebnisse der zuletzt durchgeführten Prüfung sind nicht hinreichend aktuell.
  8. Es handelt sich um eine Waldersatzfläche. Diese wurde aufgeforstet, weil bereits an anderer Stelle im Stadtgebiet Wald beseitigt wurde. Diese Waldersatzfläche jetzt wiederum zu beseitigen, widerspricht dem Naturschutz.
  9. Der Waldersatz für den Wald an der Lahnbeckestraße darf nicht auf landwirtschaftlichen Flächen in Essen erfolgen.
  10. Der zehn Meter schmale Streifen, der zum Acker hin erhalten werden soll, reicht nicht aus, um seine Funktionen für die Tierwelt zu erfüllen.
  11. Eine wichtige Frischluftproduktionsfläche für die dicht besiedelten Stadtteile geht verloren.
  12. Der Regionale Grünzug C ist durch Baumaßnahmen in der Vergangenheit bereits so verschmälert worden, dass er eine weitere Verschmälerung nicht mehr verträgt.
  13. Die Umwandlung der Fläche steht im Widerspruch zu den Zielen der Bundesregierung zur Eindämmung des Flächenverbrauchs und der dauerhaften Versiegelung.
  14. Die Stadt Essen hat sich bei der Europäischen Kommission als „Grüne Hauptstadt Europas 2017“ beworben. In der Bewerbung wird einerseits die Bedeutung der Landschaftsschutzgebiete hervorgehoben, andererseits werden auch verbindliche Ziele formuliert, die in deutlichem Widerspruch zur Bebauung stehen. Im Falle einer Bebauung sind weite Teile der Bewerbung hinfällig. Der Titel „European Green Capital“ wäre dann nicht mehr haltbar.
  15. Die Pläne haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Innerhalb nur eines Monats haben allein bei unserer Initiative über 7.000 Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme gegen die Bebauung von Essener Landschaftsschutzgebieten abgegeben.
  16. Wenn – wie laut Ratsvorlage 0002/2016/6B geplant – vierhundert Personen am Rande der Landschaft untergebracht werden, führt dies zu erheblichen Störungen in der Landschaft.
  17. Es ist zu befürchten, dass die Flüchtlingsunterkunft nach Aufgabe nicht zurückgebaut wird, sondern ganz oder teilweise in der Landschaft stehen bleibt.
  18. Es ist ebenfalls zu befürchten, dass die Fläche nach Aufgabe der Flüchtlingsunterkunft dauerhaft bebaut wird.

Wir fordern die Untere Landschaftsbehörde deshalb auf, den Antrag auf Waldrodung zurückzuziehen. Nach wie vor sind wir bereit und willens, alle notwendigen Maßnahmen für den Erhalt der Landschaftsschutzgebiete in Essen-Leithe zu ergreifen – gegebenenfalls auch auf dem Rechtsweg.


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Bebauungsplan Lahnbeckestraße

Auszug aus S. 3 der Begründung zum Bebauungsplan „Lahnbeckestraße/Rodenseelstraße“ (Nr. 38/72) des Stadtplanungsamtes der Stadt Essen:

Am Ostrand des Gewerbegebietes ist eine 30 m breite und nördlich der Straße „Im Helf“ eine 50 m breite Grünfläche als Schutzfläche gemäß § 9 (1) Ziffer 14 BBauG mit einer Bindung zur Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern als flächendeckende Schutzpflanzung – nach dem als Anlage beigefügten Pflanzschema – festgesetzt. Diese Flächen dienen dem Schutze der unterschiedlichen Nutzungsarten gegeneinander und gewährleisten eine Einbindung und Einordnung der Gewerbeansiedlung in die Landschaft. Der Übergang zur freien Landschaft soll auch dadurch sichergestellt werden, daß die vorhandenen und das Landschaftsbild prägenden Baumgruppen und Einzelbäume innerhalb der im Süden sich anschließenden Grünbereiche durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan geschützt werden.

Zwischen der vorhandenen Wohnbebauung südlich der Lahnbeckestraße und dem geplanten GE-Gebiet wird ebenfalls eine Grünfläche als Schutzfläche mit gleichem flächendeckenden Bepflanzungsgebot festgesetzt, die der Abschirmung und damit dem Umweltschutz dienen soll.

Die beschriebene Fläche nördlich der Straße „Im Helf“ ist der südliche Teil der von der Stadtverwaltung zur Bebauung vorgeschlagenen Fläche.

50 m Grünstreifen nördlich der Straße "Im Helf"
50 m Grünstreifen nördlich der Straße „Im Helf“ (Foto: Google Maps)

Antrag auf Waldrodung


In einer öffentlichen Bekanntmachung vom 28.01.2016 (PDF) informiert das Regionalforstamt Ruhrgebiet über einen Antrag der Unteren Landschaftsbehörde auf Waldrodung. Betroffen sind Grundstücke in Leithe, Altenessen, Bedingrade und Katernberg. Die genaue Lage kann man anhand der Angaben zu Flur und Flurstücken z. B. über den GEOviewer im GEOportal.NRW ermitteln; die Fläche in Leithe befindet sich an der Lahnbeckestraße.

Bürger können bei der Unteren Landschaftsbehörde Einwände gegen die Waldumwandlung erheben. Das Regionalforstamt Ruhrgebiet bittet darum, unter Angabe des Aktenzeichens 300-11-22.370 davon in Kenntnis gesetzt zu werden (die Kontaktdaten befinden sich in der öffentlichen Bekanntmachung). Die Untere Landschaftsbehörde ist zu erreichen unter:

Stadt Essen
Untere Landschaftsbehörde
Porscheplatz 1
45127 Essen

Telefon: +49 (0)201 88 59542
Fax: +49 (0)201 88 59558
E-Mail: ulb@umweltamt.essen.de

Essener Bürgerinitiativen schließen sich zusammen

Essener Bürgerinitiativen schließen sich zusammen

Gemeinsam für den Erhalt von wertvollen Grünflächen

Vertreter von sieben Essener Bürgerinitiativen haben sich zu einem Bündnis gegen die Bebauung von wertvollen Grünflächen im Stadtgebiet zusammengeschlossen. „Hände weg von Landschaftsschutzgebieten, Naherholungsflächen und Ackerland“, so ihre Forderung. Für den 20. Februar planen die Initiativen Fulerum/Haarzopf, Hexbachtal, Fischlaker Mark, Leithe, Schuir, Überruhr und Horst eine Großdemonstration in der Essener Innenstadt. Im Vorfeld der Ratssitzung am 24. Februar werden Bürger der betroffenen Stadtteile unter Beteiligung von Landwirten mit einem Traktorumzug bis zum Rathaus ziehen. Parallel dazu laufen Abstimmungen für ein Bürgerbegehren gegen die Planungen der Stadt. Auch hier wollen die Initiativen ab sofort, unterstützt durch anwaltliche Beratung, Hand in Hand arbeiten.

„Wir bekennen uns zum Umwelt- und Naturschutz und sind gegen die weitere Versiegelung von Freiflächen – unabhängig von der Art der Bebauung.“

Kritik entzündete sich vor allem an der Ratsvorlage vom Dezember. Die Bürger wurden über die Planungen der Verwaltung nicht informiert. Auch die Bezirksvertretungen sollten nicht beteiligt werden. Ohne Not wurde der Bau von Flüchtlingsunterkünften mit der Frage der Planung von Neubaugebieten verbunden. Aber auch in der neuen Ratsvorlage fehlen wichtige Informationen für den Bürger. Sie ist in wesentlichen Teilen intransparent und nicht nachvollziehbar. So ist nicht erkennbar, warum manche Grundstücke in die Auswahl gekommen sind und andere nicht. So hat die Stadt in der aktuellen Vorlage über 300 Alternativvorschläge lapidar mit „zulässig“ oder „nicht zulässig“ gekennzeichnet, ohne dafür ihre angewendeten Kriterien und Gewichtungen offen zu legen. Die Vertreter der Initiativen regen an, für die Bebauung mit Flüchtlings-Unterkünften vorrangig Brachflächen und Bestandsflächen zu nutzen, z. B.  in Gewerbegebieten. Die Vertreter weisen darauf hin, dass Essen über viele Brach- und Gewerbeflächen verfügt. Um so unverständlicher ist eine bestehende Regelung der Stadt, die eine Ansiedlung von Sozialeinrichtungen und damit auch von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten untersagt. Durch die zweimalige Änderung des Baugesetzbuches 2014 und 2015 sei die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften dort jetzt möglich. Die Untersagungsregelung der Stadt sei sofort aufzuheben. Hier fordern die Initiativen eine sofortige Änderung.

Die Initiativen sprechen sich dafür aus, die Unterbringung von Zufluchtsuchenden kleinteilig in allen Bezirken der Stadt zu organisieren. In diesem Zusammenhang halten die Vertreter die gegenwärtige Nord-Süd-Diskussion für überflüssig. „Es geht um die Erhaltung der grünen Freiflächen für alle Essener, auch für Zufluchtsuchende, um Frischluftschneisen und Naherholungsmöglichkeiten auch für nachfolgende Generationen“, betonen die Initiativen.


Zum Hintergrund: Es wurden in den vergangenen Wochen viele Aktionen in den einzelnen Stadtteilen durchgeführt: Demonstrationen in Kray, Haarzopf, Hexbachtal mit tausenden Teilnehmern, Bürgerinformationsveranstaltungen in allen betroffenen Stadtteilen, Unterschriftensammlungen (bislang insgesamt 20.000) sowie mehrere tausend Aktive auf den Facebookseiten der einzelnen Initiativen. Gemeinsam setzen sich die Initiativen für den Erhalt aller Essener Grünflächen ein und bündeln ihre Aktivitäten, um mit einer Stimme zu sprechen.

Stellungnahme zur Vorlage der Stadt Essen

Am 21.01.2016 hat die Stadt Essen die Vorlage 0002/2016/6B mit Betreff „Unterbringung von Flüchtlingen in 2016/2017“ veröffentlicht.

Den sich darin ankündigenden Richtungswechsel zu einer höheren Berücksichtigung von Natur- und Umwelt-Belangen und einer stärkeren Nutzung bestehender Immobilien begrüßen wir ausdrücklich. Aus unserer Sicht ist dies ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jetzt ist es wichtig, konsequent weitere Schritte folgen zu lassen und auf die Inanspruchnahme landschaftlich schützenswerter sowie landwirtschaftlicher Flächen und Wald ganz zu verzichten.

Nach den aktuellen Plänen der Stadt Essen soll im Landschaftsschutzgebiet südlich der Lahnbeckestraße in Essen-Leithe eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden. Die Bürgerinitiative Pro Landschaftsschutz Leithe lehnt diese Pläne entschieden ab.

Wir unterstützen die Ideen, die der Runde Umwelt-Tisch Essen (RUTE) in seinem Schreiben vom 20.01.2016 an Herrn Oberbürgermeister Kufen formuliert. Dazu zählen insbesondere die Fokussierung auf bestehende Wohnungsleerstände und die Einrichtung vieler kleinerer Standorte. Die Bebauung des Landschaftsschutzgebietes südlich der Lahnbeckestraße lehnt auch der RUTE ab.

Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans hat in seiner heutigen Rede beim Neujahrsempfang der SPD herausgestellt, dass die Aufteilung auf kleinere Standorte vermutlich kostenintensiver ist, wahrscheinlich aber im Hinblick auf den sozialen Frieden die bessere Lösung darstellt. Diesem Gedanken schließen wir uns vollumfänglich an.

Als Begründung für unsere Position haben wir ergänzend zu unserem offenen Brief an Herrn Oberbürgermeister Kufen vom 05.01.2016 weitere Argumente nachstehend aufgeführt.

Argumente gegen die Bebauung des Gebietes
„Lahnbeckestraße“

1. Landschaftsschutz

Die Lahnbeckestraße teilt das in der Vorlage ausgewiesene Grundstück in eine nördliche und eine südliche Fläche. Der südliche Teil liegt gemäß Landschaftsplan Essen im Landschaftsschutzgebiet Nr. 3.4.3 „Ackerterrassen entlang der Stadtgrenze zu Bochum und Gelsenkirchen“. Laut Stellungnahme der Unteren Landschaftsbehörde vom 20.04.2015 ist die Fläche insbesondere schützenswert zur Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit, für die Erholung, das Klima und als Freiraum innerhalb eines regionalen Grünzuges.

Der Regionale Flächennutzungsplan weist die Fläche als Bereich zum Schutz der Landschaft und der landschaftsorientierten Erholung, als allgemeinen Freiraum und Agrarbereich sowie als Regionalen Grünzug aus.

2. Klima- und Artenschutz

Im Rahmen des Projektes Bedarfsgerechte Flächenentwicklung wurde das Gebiet bereits im Jahr 2015 intensiv von der Stadt Essen geprüft. Danach dient es dem Klimaschutz als „unverzichtbare Frischluftschneise für die dicht besiedelten Stadtteile“. Die südliche Teilfläche besteht aus einer Waldfläche und einem Ackersaum mit dichten Hecken und Gebüsch und stellt wertvollen Lebensraum für Brutvögel dar. Eine Bebauung würde den Verlust wertvollen Lebensraums für viele Arten bedeuten, darunter der Buntspecht, die seltene Klappergrasmücke (gefährdeter Brutvogel, Rote Liste NRW) und die Feldlerche (starker Bestandsrückgang, Rote Liste NRW). Laut Vorlage 1894/2015/6B ist eine Artenschutzprüfung erforderlich: „Zeitlich ist zu berücksichtigen, dass die Artenschutzprüfung nicht vor Juli 2016 abgeschlossen wäre; erst danach könnte entschieden werden, ob und wann die Fläche in Anspruch genommen werden kann.“

3. Beschaffenheit des Standortes

Die südliche Teilfläche dient bereits heute als Ersatzfläche für ein Waldgebiet. Deshalb müsste zunächst durch die Untere Forstbehörde geklärt werden, ob Ersatz für die zugeordnete Waldersatzfläche geschaffen werden kann und ob die Beseitigung des Waldes überhaupt möglich ist. Wir halten das für fraglich, da laut Vorlage 0002/2016/6B die „wesentlichen Voraussetzungen für die Bebauung“ (S. 13), nämlich Ankauf einerseits und Schaffung der Voraussetzung für den Waldersatz und -ausgleich andererseits, noch immer ungeklärt sind. Im Hinblick auf die aktuelle politische und mediale Diskussion über die gleichmäßige Belastung aller Essener Stadtteile wäre es ausgesprochen wichtig, die Ersatzfläche nicht in andere Stadtteile zu verlagern. Diese Vorgehensweise gilt bislang als „ungeschriebenes Gesetz“ und war in der Vergangenheit stets üblich.

Die Ableitung von Schmutzwasser ist mit hohem Aufwand verbunden, die von Regenwasser gar nicht möglich. Darüber hinaus wäre die aufwändige Verlegung von Leitungen zur Gasversorgung notwendig. Außerdem liegt eine Ordnungsverfügung vor, die Gespräche mit der Bezirksregierung Düsseldorf voraussetzt.


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Pressemitteilung

Die Bürgerinitiative „Pro Landschaftsschutz Leithe“ kämpft weiterhin für die Erhaltung von Landschaftsschutzgebieten in Essen-Leithe. Das Gebiet „Am Isinger Bach/Hochfeldstraße“ wird zwar vorerst nicht mehr in der Ratsvorlage erwähnt, gleichwohl befindet sich die Fläche südlich der Lahnbeckestraße weiterhin im Landschaftsschutzgebiet.

Unter dem Vorwand der Flüchtlingsunterbringung versucht die Stadt Essen, Landschaftsschutzgebiete in rentables Bauland umzuwandeln, auch wenn sie es in der aktuellen Vorlage vom Thema „Unterbringung von Flüchtlingen“ entkoppelt hat. Sie macht damit schutzbedürftige und Not leidende Menschen zum Spielball ihrer Interessen und stellt sich gegen die Belange der Bevölkerung.

Die von der Stadt ausgewählten Flächen sind von höchster Bedeutung u. a. für Natur- und Artenvielfalt, das Stadtklima, die Landwirtschaft und die Naherholung jetziger und kommender Generationen. Vor einem halben Jahr hat sich die Stadt in ihrer Bewerbung als „Grüne Hauptstadt Europas 2017“ noch mit den Gebieten gebrüstet, auf denen sie jetzt die Bagger anrollen lassen will. Allein die erforderliche Erschließung würde Unsummen verschlingen – Geld, das für die Integration dringend benötigt wird und nicht mehr zur Verfügung stünde.

Die Argumente der Stadt für die Notwendigkeit der Bebauung sind nicht nachvollziehbar und widersprechen der Einschätzung von Experten. Die Rede ist z. B. von Mangel an bestehendem Wohnraum und drohendem Bevölkerungswachstum. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wie z. B. die Bertelsmann-Stiftung, das Institut der deutschen Wirtschaft Köln und das InWIS in Studien belegen.

Die Pläne haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Innerhalb nur eines Monats haben allein bei unserer Initiative über 7.000 Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme dagegen abgegeben.

In enger Zusammenarbeit mit den Initiativen der anderen Stadtteile sind wir deshalb bereit und willens, die Interessen der Bevölkerung auch auf mit juristischen Mitteln und über ein Bürgerbegehren durchzusetzen.


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Aufruf zur Unterstützung

Liebe Mitstreiter,

jetzt wird es ernst – wir benötigen Geld!

Wir haben eine renommierte Anwaltskanzlei für uns gewinnen können, um unsere Interessen bezüglich der endgültigen Bebauung unserer Landschaftsschutzflächen mit sozialem Wohnungsbau zu vertreten. Den Namen können wir aus strategischen Gründen momentan noch nicht bekannt geben, werden das aber so bald wie möglich tun. Die Kanzlei hat einen außerordentlich guten Ruf und kann ebenso zahlreiche wie erfolgreiche Referenzen im Verwaltungsrecht vorweisen. In Kürze ist ein erstes Beratungsgespräch anberaumt. Dafür sind wir zum ersten Mal auf gemeinschaftliche, finanzielle Unterstützung angewiesen!

Alle Gelder werden ausschließlich für die Interessen der Bürgerinitiative verwendet. Nicht benötige Gelder kommen der Natur im Stadtteil zu Gute. Ausgaben können auf Anfrage eingesehen werden.

Für bargeldlose Zahlungen haben wir eine eigene Kontoverbindung eingerichtet:

Inhaber: Pro-Landschaftsschutz-Leithe
IBAN: DE16 3604 0039 0320 7784 00
BIC: COBADEFFXXX

Gerne können auch Bargeldzuwendungen gegen Quittung persönlich bei Mitgliedern der Bürgerinitiative abgegeben werden.

Wir werden auch zukünftig alles dafür tun, unsere gemeinsamen Interessen so sinnvoll wie möglich und so aufwändig wie nötig zu vertreten. Auf juristischem Wege wird unsere Handlungsfähigkeit maßgeblich durch finanzielle Mittel bestimmt werden.

Wir bitten Euch deshalb:

Wir machen ernst – macht mit!


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Brief an den Oberbürgermeister


Update am 20.01.2016: Antwort des Oberbürgermeisters


Bebauung von Landschaftsschutzgebieten in Essen-Leithe

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kufen,

mit Entsetzen haben die Bewohnerinnen und Bewohner aus Ihrem östlichen Stadtteil Leithe die Pläne zur Bebauung von Landschaftsschutzgebieten zur Kenntnis genommen. Wir, die Bürgerinitiative Pro Landschaftsschutz Leithe, haben in zahlreichen Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort festgestellt, dass diese Absichten auf absolutes Unverständnis stoßen.

Auch wir Leitherinnen und Leither unterstützen die Anstrengungen, Flüchtlingen in Essen ein sicheres Zuhause zu bieten und diese in unsere Gesellschaft zu integrieren. Zahlreiche Helferinnen und Helfer belegen dies durch ihr ehrenamtliches Engagement bereits heute. Ebenfalls sind wir der gleichen Auffassung wie Sie, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten vor allem aus humanitären, aber auch aus finanziellen Gründen nur eine Notlösung sein kann und darf.

Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger in Leithe ist eine Ausweitung der Stadt in die grünen Randbezirke bzw. Landschaftsschutzgebiete jedoch weder sinnvoll noch erforderlich; eine Vielzahl von Argumenten haben wir in der Anlage für Sie aufgeführt. Vielmehr sehen die Bürgerinnen und Bürger in Ihren Plänen die Absicht, kostengünstig unter dem Deckmantel der Flüchtlingsunterbringung mittelfristig hochwertiges und hoch rentables Bauland zu generieren. Andernfalls fragen sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht, warum bereits heute feststeht, dass diese Flächen nach der Pflicht des Rückbaus der Flüchtlingsunterkünfte zu Bauland mit sozialem Wohnungsbau werden sollen. Wohlgleich dieses nach heutigem Recht verboten bleibt. Da wäre doch die Renaturierung sicherlich eine denkbare Alternative!

Wir fordern Sie daher in aller Deutlichkeit auf, von den Plänen, Landschaftsschutzgebiete in Essen-Leithe in Bauland umzuwandeln, Abstand zu nehmen!

Um Ihnen nochmals unsere Argumente nachhaltig in einem persönlichen Gespräch zu verdeutlichen und um Ihnen die weit mehr als 3.000 Unterschriften gegen Ihre Pläne, Landschaftsschutzgebiete in Essen-Leithe zu bebauen, zu überreichen, möchten wir Sie um einen dringenden Gesprächstermin noch vor der nächsten Ratssitzung am 27.01.2016 bitten.

„In Essen wird zu wenig geredet […]“ prangerten Sie als „Kommunikator“ oft genug in Ihrem Wahlkampf an. Nun ist es an der Zeit, Wort zu halten und dem Defizit der vergangenen Tage Einhalt zu gebieten. Streitgespräche sind Teil der Demokratie, so unser Bundespräsident Joachim Gauck. Mitbürgerinnen und Mitbürger vor fast vollendete Tatsachen zu stellen gehört nicht dazu.

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir bereits erste rechtsberatende Gespräche geführt haben, um die Interessen dieser Bürgerinitiative durchzusetzen. Auch das durch Ratsfrau Dr. Elisabeth van Heesch-Orgaß von der Ratsgruppe „Bürgerliche Alternative Liste“ angesprochene Bürgerbegehren werden wir im Falle des Falles mit allen Kräften unterstützen.

Dieses Schreiben versenden wir zeitgleich an die Ratsfraktionen zur Information und Kenntnisnahme. Ebenfalls wird dieses Schreiben zeitverzögert auf unserer Homepage und als Presse-Mitteilung veröffentlicht.

Mit freundlichen Grüßen aus Essen-Leithe

(gez. Bürgerinitiative Pro Landschaftsschutz Leithe)


Argumente gegen die Bebauung von Landschaftsschutzgebieten in Leithe

Betroffene Flächen:

  • Am Isinger Bach/Hochfeldstraße (4.4.8)

  • Lahnbeckestraße (4.4.9)

1. Flächennutzungsplan

Bei den Flächen handelt es sich laut der Unteren Landschaftsbehörde als Teilgebiete der Ackerterrassen entlang der Stadtgrenze zu Bochum und Gelsenkirchen um Landschaftsschutzgebiete „insbesondere wegen der Bedeutung des Gebietes für

  1. die Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit,

  2. die Erholung,

  3. das Klima,

    sowie der Bedeutung

  4. als Freiraum innerhalb eines regionalen Grünzuges.“

(Landschaftsplan Essen vom 06.04.1992, geändert am 04.01.2005, S. 101)

Wir stellen in Frage, dass die betroffenen Nachbarstädte Bochum und Gelsenkirchen der für eine Bebauung notwendigen Änderung des gemeinsamen regionalen Flächennutzungsplans zustimmen.

Die Bebauung der Flächen steht außerdem im Widerspruch zu den Zielen der Bundesregierung zur Eindämmung des Flächenverbrauchs und der dauerhaften Versiegelung.

Das im Jahr 2010 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung erstellte Städtebauliche und klimatologische Grobszenario für die Stadt Essen unterstreicht diese Einschätzung.

2. Frischluftschneise

Die Flächen verhindern als Grüngürtel sogenannte „Temperatur-Hotspots“ wie in anderen Großstädten. Die größte Rolle spielen dabei der Luftaustausch (abhängig von der Bebauungsdichte) und die Wärmeabsorption (abhängig vom Grad der Bodenversiegelung). Die Emissionen durch den Verkehr auf der A40 und deren Umgehungsstrecken belasten schon heute den Stadtteil Leithe erheblich. Im Hinblick auf die Klimaerwärmung sind Maßnahmen, die diese wichtige Frischluftschneise beeinträchtigen, als kritisch zu beurteilen. Mediziner gehen davon aus, dass im Falle einer Bebauung gesundheitliche Beeinträchtigungen (z.B. Atemwegserkrankungen) deutlich zunehmen werden.

3. Bodenqualität & Bodenversiegelung

Durch die Bebauung würden landwirtschaftliche Flächen, welche in dieser hochwertigen Form sonst nur noch in der Soester Börde zu finden sind, unwiderruflich und damit dauerhaft zerstört. Ein Schutzzweck der Fläche „Am Isinger Bach/Hochfeldstraße“ liegt in der natürlichen Bodenfruchtbarkeit. Es handelt sich laut Verwaltungsvorlage um „schutzwürdigen Boden mit weitgehend naturbelassenen Bodenprofilen, hoher natürlicher Bodenfruchtbarkeit und hoher Wahrscheinlichkeit, dass hier Wasser im Boden gespeichert wird“. Bodenversiegelung wirkt sehr negativ auf den natürlichen Wasserhaushalt, da der Boden nicht mehr als Puffer dient. Der oberflächliche Abfluss wird gesteigert und die Grundwasserspende verringert. Eine Ableitung von Oberflächenwasser ist hier zudem nicht möglich.

4. Artenschutz

Das Ökosystem und der Lebensraum wichtiger Pflanzen und Tiere, die auch unter Artenschutz stehen (u. a. die sehr seltene Feldlerche), würden gefährdet. Wir verweisen hier auf Ihre Verwaltungsvorlage, laut der eine gutachterliche Prüfung unbedingt notwendig und mit dessen Ergebnis nicht vor Mitte des Jahres 2016 zu rechnen ist.

5. Beschaffenheit der Standorte

Die aufgeführten Flächen sind aus unserer Sicht für eine dauerhafte Bebauung nicht geeignet. Die Ableitung von Schmutzwasser ist mit hohem Aufwand verbunden, die von Regenwasser gar nicht möglich. Außerdem liegt für beide Flächen eine Ordnungsverfügung vor, die Gespräche mit der Bezirksregierung Düsseldorf voraussetzen. Die Fläche „Lahnbeckestraße“ erfordert zusätzlichen Aufwand für die Verlegung von Leitungen zur Gasversorgung. Außerdem dient sie bereits heute als Ersatzfläche für ein Waldgebiet. Deshalb müsste zunächst durch die Untere Forstbehörde geklärt werden, ob Ersatz für die zugeordnete Waldersatzfläche geschaffen werden kann und ob die Beseitigung des Waldes überhaupt möglich ist.

Sie haben von Vertretern aus Politik und Zivilgesellschaft sowie von Einzelpersonen bereits zahlreiche Vorschläge zu Alternativstandorten erhalten. Wir unterstützen insbesondere die Anträge der Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die Stellungnahme der CDU, EBB und FDP in der Bezirksvertretung IX, die Thesen des RUTE sowie die Stellungnahmen von BUND und NABU, die Ihnen allesamt vorliegen. Ihrem Wunsch, dass jeder, der einen Standort ablehnt, in der Pflicht ist eine Alternative zu benennen, ist die Bevölkerung damit weit über das geforderte Maß nachgekommen. Allerdings erweckt das Interview in der WAZ vom 29.12.2015 mit Ihrem Stadtplaner, Herrn Hans-Jürgen Best, in weiten Teilen den Eindruck, dass man es sich bei der Beurteilung von alternativen Standorten vielleicht doch zu leicht macht, den Weg des geringeren Aufwandes und/oder Widerstandes geht und das eigentliche Ziel dann doch ein anderes ist. Vielleicht fallen auch deshalb Flächen unter zwei Hektar, welche bereits erschlossen sind und für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge sorgen würden, aus dem Raster. Das können wir im Zuge der Erhaltung von Landschaftsschutzgebieten nicht akzeptieren.

6. European Green Capital 2017

Die Stadt Essen hat sich bei der Europäischen Kommission als „Grüne Hauptstadt Europas 2017“ beworben. In der Bewerbung wird einerseits die Bedeutung der Landschaftsschutzgebiete hervorgehoben:

  • „Urbane Grünflächen […] haben eine hohe Bedeutung für das Stadtklima. Das ausgedehnte Grünflächensystem […] tragen zur innerstädtischen Temperaturreduzierung und damit zu einem günstigen Bioklima bei.“ (Themenfeld 3, S. 13)

  • „Das durchgängige Grünflächensystem bietet zudem Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere und unterstützt den Biotopverbund. Die Resilienz der Stadt gegenüber Klimaereignissen wie Starkregen, Hochwasser und Hitzestress, aber auch dem Rückgang von Pflanzen und Tierarten, wird erhöht.“ (Themenfeld 3, S. 14)

Andererseits werden auch verbindliche Ziele formuliert, die in deutlichem Widerspruch zur Bebauung stehen:

  • „Die Freiräume der Regionalen Grünzüge an den Stadtgrenzen […] bilden den landschaftlichen Übergang zu den Nachbarstädten der Metropole Ruhr. In einem Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP), der gemeinsam von den Städten Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen aufgestellt wurde, werden diese Freiflächen geschützt und nach den lokalen Erfordernissen nachhaltig weiterentwickelt.“ (Themenfeld 3, S. 9)

  • „Zukünftig wird die Entwicklung der Stadt zu einer grünen Stadt mit hoher Lebens- und Freizeitqualität durch die Einbeziehung der Grünplanung in die Stadt- und Regionalentwicklung fortgesetzt.“ (Themenfeld 3, S. 10)

  • „Die Stadt Essen verfolgt mit dem segregativen und integrativen Naturschutzkonzept eine Doppelstrategie: einerseits Erhaltung und Weiterentwicklung der schutzwürdigen Naturlandschaften und der Schutzgebiete und andererseits Maßnahmen zum Schutz von Arten und Lebensräumen in landwirtschaftlichen Produktionsflächen, bei Waldbewirtschaftung, Siedlungsentwicklung und anderen Landnutzungen.“ (Themenfeld 4, S. 4)

  • „Zum anderen sollen in Anlehnung an die FFH- und Vogelschutzrichtlinie die Erhaltungszustände der Arten auch außerhalb des Natura-2000-Gebietes stabilisiert werden: In den nächsten 5 Jahren werden dafür der Landschaftsplan Essen fortgeschrieben, die vorhandenen Überwachungssysteme für die Öffentlichkeit aufbereitet und weitere Naturschutzmaßnahmen erarbeitet.“ (Themenfeld 4, S. 10)

Im Falle einer Bebauung sind weite Teile der Bewerbung hinfällig. Der Titel „European Green Capital“ wäre dann nicht mehr haltbar, was bestenfalls nur einen erheblichen Image-Verlust für die Stadt Essen bedeuten würde. Zusätzlich muss mit einer eventuellen Rückzahlung von Fördergeldern in Höhe von 2,5 Millionen Euro gerechnet werden. Eine entsprechende Petition beim Europäischen Parlament haben wir bereits zur Prüfung beantragt. Weiterhin werden geplante Sponsoring-Einnahmen von circa 2,5 Millionen Euro zur Finanzierung fehlen.

7. Schädigung der Pächter

Die Bebauung der Flächen würde die ortsansässigen Landwirte finanziell erheblich schädigen und sogar in ihrer Existenz gefährden. Mindestens der Verlust von Arbeitsplätzen wäre die Folge.

Durch den Wegfall der kleingärtnerischen Anlagen würde einerseits den Pächtern unverhältnismäßig hoher wirtschaftlicher Schaden zugefügt, andererseits würde auch ein Stück regionaler Kultur mit jahrzehntelanger Tradition zerstört. Es muss mit einer Gefährdung des sozialen Friedens im Stadtteil gerechnet werden. In jedem Fall sind weitere ökologisch aufwertbare Flächen als Ersatzstandorte erforderlich.

8. Verfügbarkeit von Wohnraum

Der bestehende Leerstand an Wohn- und Gewerbeimmobilien lag nach der letzten Erhebung bei 5,5% und könnte damit ein ausreichendes Unterbringungspotential bieten.

Ein kurzer Blick in die Statistik der vergangenen Jahre bestätigt diese Annahme: im Jahr 1990 hatte Essen ca. 630.000 Einwohner; Ende 2014 waren es noch ca. 577.000 Einwohner (Quelle: Bevölkerungsatlas der Stadt Essen). Es gibt keine Belege darüber, dass der gesamte Wohnraum dieser 53.000 Mehreinwohner in nur 25 Jahren ersatzlos abgerissen wurde. Rein rechnerisch würde das bei durchschnittlich 24 Bewohnern je Mehrfamilienhaus bedeuten, dass in wenigen Jahren über 2.200 solcher Häuser abgerissen worden wären, und zwar ohne Schaffung alternativen Wohnraums. Das Argument der ansteigenden Einwohnerzahl in Richtung 600.000 ist nicht stichhaltig, da vor 25 Jahren sogar 630.000 Menschen in Essen Wohnraum genutzt haben.

9. Bevölkerungsentwicklung

Für die Annahme, dass Essens Einwohnerzahl in den nächsten Jahrzehnten zunimmt, fehlen hinreichende Belege. Im Gegenteil gibt es zahlreiche Indikatoren dafür, dass die Stadt in den nächsten Jahren an Bevölkerung verlieren wird.

Die renommierte Bertelsmann-Stiftung hat im Informationssystem Wegweiser Kommune Statistiken zur Bevölkerungsprognose für die Stadt Essen veröffentlicht. Danach schrumpft die Einwohnerzahl gegenüber 2012 bis zum Jahr 2020 um 1,2% und bis zum Jahr 2030 um 3,7%.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln prognostiziert für Essen bis 2030 sogar einen Rückgang um 5,1% (Quelle: Studie IW-Trends 4/2013).

In den Ergebnissen der im Jahr 2013 vom Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) durchgeführten Wohnungsnachfrageanalyse Essen 2020+ heißt es: „Alle bestehenden Prognosen weisen weiterhin in Richtung Schrumpfung“. Das InWIS prognostiziert für die Stadt Essen einen Rückgang um 5,9% bis 2025. Die städtische Prognose beläuft sich sogar auf einen Rückgang um 7,2% bis 2025 (Quelle: Ergebnisdokument der Stadt Essen zur Analyse).

10. Vermischung von Flüchtlingsunterbringung und städtebaulicher Strategie

Wir fordern die klare Trennung der kurzfristigen Flüchtlingsunterbringung von einer langfristigen, städtebaulichen Strategie.

Die Pläne der Stadt stützen sich unter anderem auf das „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“, das eine schnelle und kurzzeitige Unterbringung von Flüchtlingen in einfachen, festen Unterkünften erleichtert. Das Gesetz ist bis zum 31.12.2019 befristet und grenzt sich thematisch klar von allgemeinen, städtebaulichen Aspekten ab.

Auf den betroffenen Flächen sollen gemäß der Verwaltungsvorlage langfristig Siedlungen für eine Durchmischung mit allen Bevölkerungsschichten entstehen, also Siedlungen, deren Zweck weit über die reine Unterbringung von Flüchtlingen hinausgeht. Das oben genannte Gesetz kann auf diese Art der langfristigen Bebauung keine Anwendung finden.

11. Integration

Wir begrüßen die Pläne, auch in Essen eine angemessene Zahl von Flüchtlingen jetzt und in Zukunft aufzunehmen und schließen uns folgender Einschätzung an: „Die Unterbringung in Wohnungen im gesamten Stadtgebiet ist […] die beste Grundlage für eine gelingende Integration“ (Verwaltungsvorlage , S. 10). Gleichlautendes teilte Herr Penkwitt (Leiter der Immobilienwirtschaft, Fachbereich 60) in der Integrationssitzung vom 15.12.2015 mit.

Merkwürdigerweise wird der Aspekt der Integration darüber hinaus in der Vorlage nicht thematisiert. Ein nachhaltiges Gesamtkonzept, welches darlegt, wie die Integration der Flüchtlinge bewerkstelligt werden soll und wie die geplante Umwandlung von Flüchtlingsunterkünften in funktionierende Stadtquartiere aussehen könnte, lässt sich leider in der Vorlage auch nicht erkennen.

Die Errichtung von Großbauten am Stadtrand widerspricht dem Ziel erfolgreicher und dauerhafter Integration und birgt darüber hinaus die Gefahr sozialer Brennpunkte. Bau- und Stadtentwicklungsminister Michael Groschek „betonte, dass es um Ankommen und Leben in einer Gesellschaft gehe, die ihre Neubürgerinnen und Neubürger nicht an die Ränder der großen Städte drängen darf“ (Pressemitteilung des Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW vom 14.12.2015). Dafür stellt das Ministerium in einem Sonderprogramm auch umfangreiche Fördermittel zur Verfügung.

12. Proportionale Verteilung

Die Planung sieht vor, in Essen-Leithe im Umkreis von nur einem Kilometer zwei Landschaftsschutzgebiete in Bauland umzuwandeln. Auf jeder Fläche sollen Unterkünfte für 400 bis 800 Flüchtlinge, insgesamt also für 800 bis 1.600 Flüchtlinge, errichtet werden.

Leithe hat derzeit ca. 6.900 Einwohner. Bei den für 2016 in Essen insgesamt erwarteten 6.000 Flüchtlingen nähme Leithe mit nur 1% der Essener Gesamtbevölkerung allein in den neuen Unterkünften 7-13% aller Flüchtlinge auf. Hinzu kommt die bereits bestehende Unterkunft an der Grimbergstraße, deren Verdichtung sich ebenfalls auf Ihrer Tagesordnung befindet. In unmittelbarer Nähe befinden sich außerdem die in den Nachbarstadtteilen Freisenbruch und Horst zur Bebauung vorgesehenen Gebiete sowie die bereits bestehenden Flüchtlingsunterkünfte in Kray und Steele. Gerne möchten wir Sie hierzu aus dem Steeler Kurier vom 28.12.2015 zitieren: „Wir müssen Wohnraum schaffen und dabei Konzentrationen, die Entstehung von Parallelgesellschaften, vermeiden“. Genau dieser Konzentration und der sich damit zwangsläufig bildenden Parallelgesellschaft kann sich der Stadtteil Leithe im Falle der Bebauung aber nicht entziehen. Eine im Stadtteil fehlende bzw. nicht ausreichende Infrastruktur (wie ÖPNV, Kindergärten, Schulen, Spielplätzen, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, etc.) fördert diese Entwicklung.

13. Form der Prüfung

Eine angemessene Prüfung gemäß Ratsbeschluss vom 16.12.2015 dürfte bis Januar 2016 aus zeitlichen und vorgenannten Gründen kaum möglich sein. Allein die Fraktionen FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben über 30 Alternativstandorte genannt. Ferner sind die Betriebsferien der Stadtverwaltung vom 23.12.2015 bis zum 03.01.2016 zu berücksichtigen. Wir halten für ausgeschlossen, dass eine gewissenhafte und abschließende Prüfung aller notwendigen Kriterien für die genannten Standorte in nur wenigen Tagen erfolgen kann.


Der Brief steht auch als PDF zum Download zur Verfügung.